An dem Tag hatte ich Geburtstag, es war am frühen Abend. Ich bin die Prenzlauer runtergelaufen, zum Biertrinken und Rauchen in den Torpedokäfer, so wie an fast jedem Tag, nicht weil ich Geburtstag hatte. Es war grau, nass, mir war kalt und ich war ziemlich fertig. In der Kneipe setzte ich mich zu den anderen an den grünen runden Tisch im Fenster.

Die Kellnerin stellte mir ein großes Radeberger hin, gratulierte strahlend und überreichte einen Glückskeks. „Danke.“ Ich legte ihn auf den Tisch und wollte nach dem Glas greifen. „Mach schon auf, ich will wissen, was drinsteht.“ Ich zerdrückte den Keks, er war leer. Die Kellnerin schaute verlegen, wusste nicht, was sie sagen soll und ging zurück zum Tresen. Ich nahm das Bier und trank es auf Ex.

Die Nacht davor hatte ich auch im Käfer getrunken. Am Ende standen wir alleine am Tresen, nur sie, die Frau, um die es hier geht, der Barkeeper und ich. Die Rollläden waren schon heruntergelassen, aber die waren ziemlich zerklimpert und man konnte gut durch sie hindurchsehen und von außen erkennen, dass noch Licht brannte. Jemand klopfte gegen die Eingangstür, immer wieder, aber nur leise. Es war ihr neuer Freund. Sie zog Lines auf dem Tresen, wir schnupften, so etwas hatte sie früher nicht getan, der Barkeeper schenkte uns weiter ein.

Als das Klopfen irgendwann verstummt war, gingen wir zu ihr, es war nicht weit, ihre neue Wohnung war gleich am S-Bahnhof. Geschlafen haben wir nur wenig, wir hatten uns viel zu erzählen und berührten uns. So langsam, wie man es im Traum macht. Als ich mich am späten Vormittag im Badezimmer wusch, saß sie im Hemdchen neben mir auf der Waschmaschine, eine f6 in der Hand, und sah mir zu, ihr Blick war reine Liebe. Dann musste ich gehen.

Später am Abend saß ich also wieder im Käfer zwischen den anderen Müßiggängern, der Nachbar vom Haus gegenüber redete Unsinn, verlor jede Backgammonpartie und baute dabei eine Tüte nach der anderen. Sie kam erst spät, stand plötzlich verhuscht vor unserem Tisch, gab mir einen Kuss und überreichte mir einen Blumenstrauß. Es war einer vom Vietnamesen am S-Bahnhof. Sie setzte sich. Sie könne nicht lange bleiben, heute sei sie mit ihm verabredet.

Irgendwann später war ich einmal noch bei ihr, sie wollte kochen. Sie begrüßte mich an der Tür und lief gleich zurück zu den Koteletts in die Küche. Ich ging ins Zimmer, zog die Stiefel aus und legte den Mantel ab. Sie servierte auf dem Mosaiktischchen vor der Couch, kein Wort fiel. Ich schaute sie an und in ihren Augen sah ich: nichts. Dann habe ich den Teller weggeschoben, bin aufgestanden, habe Stiefel und Mantel angezogen und bin hinausgegangen, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich habe sie schweigen gehört, bis die Tür klappte.

 

Weimar, 19. August 2021